
Ein Kommentar von Peter Nied
Nach Halle ist eigentlich so wie immer nach Gewaltverbrechen aus der rechtsextremen Szene. Man bemüht Statistiken und Fachleute, man sucht nach Ursachen und Motiven und man stellt das Leben der Täter auf den Kopf. Und dann fuchteln Politiker wieder mit den Armen. Man müsse jetzt aber wirklich etwas dagegen tun und man hätte selber ja immer schon und so weiter. Betroffenheit, je nachdem wie weit die nächsten Wahlen entfernt sind. Ich denke dabei eher an den Urknall nach dem Ende des 1.000-jährigen Reiches. Der ganze Komplex an Faschismus und dessen Wegbereitung, die Massenvernichtung der vielen Menschen und den Krieg. Nichts von alledem wurde jemals vernünftig aufgearbeitet.
Wir haben die Geschichte vor uns hergeschoben und nicht gelernt. Das beginnt mit der Regierung Adenauer, der mit alten Tätern „neu“begonnen hat. 1949 geboren „durfte“ ich Zeitzeuge einer nahezu untätigen Generation werden. Stellte man als Kind einmal eine Frage zum „Führer“ hieß es direkt:“jetzt halt aber mal dein vorlautes Mündchen.“ In der Volksschule nach dem 3. Reich gefragt wich man aus mit:“oh ja das nehmen wir später auch mal dran.“ Haben wir jedoch nie. Der Lehrer in der Berufsschule schwärmte als ehemaliger Wetterflieger vom Einsatz über Feindgebiet und Nachbarn bekamen glänzende Augen bei Erzählungen von der Schlacht in der Normandie.
Dabei hätten wir in Solingen doch wirklich genug Vorlagen aus dem „Reich“ gehabt. Immerhin stammen drei Personen aus der Südstadt. Eichmann und Blobl von der Krahenhöhe, Buchs und Weise aus Meigen. Die beiden ersten wurden hingerichtet und Gottfried Weise hatte auch weit nach dem Zusammenbruch noch Gönner. Ende der 1990er Jahre wurde Weise nach einer rechtskräftigen Verurteilung inhaftiert, dann gab es eine Haftunterbrechung, wo er die Flucht in die Schweiz antrat. Landespolitiker und Bundesminister schoben sich meine Korrespondenz gegenseitig auf den Schreibtisch, einzig Ignaz Bubis unterstützte meinen Antrag auf sofortige Inhaftierung. Weise war an der Rampe in Auschwitz „tätig“ und warf kleine Kinder in die Luft und schoss sie mit seiner Pistole ab.
Mein Bürgerantrag auf Finanzierung eines präventiven Schulprojektes wurde abgelehnt. Es gäbe ja in Solingen keine Neonazis. Und heute gibt es wieder Töne aus Solingen die über Facebook mittlerweile in ganz Deutschland bekannt sind. Alle tun, viel zu spät, betroffen und mahnen. Pflichttermine wurden schon viel früher verpasst und die alte und neue rechte Problematik wurde nie ernsthaft thematisiert.
Kommentar schreiben
Andreas Rüb (Sonntag, 13 Oktober 2019 11:16)
Vor lauter Antisemitismus scheint ganz vergessen worden zu sein, dass zwei unschuldige Menschen ihr Leben lassen mussten! Darüber hört man so ziemlich gar nichts mehr. Moralisch gesehen ist der Holocaust schlimm, aber was kann ich in der zweiten Generation noch dafür, was vor ca. 80 Jahren passiert ist? Was sagt Angela: Einzelfälle. Die Medien sollten aufhören, mit solchen Parolen über Halle den Menschen ein schlechtes Gewissen zu suggerieren.