
Text: Peter Nied, SCHWERT & KLINGE 2011
Die Historie europäischer Richtschwerter
Der Einsatz wurde immer einseitig geführt und der Ausgang war endgültig. Es gab keinen Kampf Mann gegen Mann und ebenso wenig gab es einen Helden. Es geht um das Schwert des Henkers, um das
Richtschwert im Europa einer dunklen Zeit.
Detailgetreu wird ein Richtschwert im Morgenstern – Museum – Bremerhaven beschrieben.
Gefertigt wurde dieses Schwert ca. 1640 von dem Solinger Schmied Johannis Paettherr. Die zweischneidige Klinge hat eine Länge von 86,5 cm, Knauf und Hülse fehlen, der Griff ist zum Teil nicht
mehr erhalten. Eingeschlagen wurden ein Reichsapfel mit Doppelkreuz sowie dreimal zwei gekreuzte Schwerter unter eine Krone.
Auch heute noch kann man viele dieser Schwerter in Museen besichtigen. Oft sprechen tiefe Kerben in der Mitte der Schneiden die Geschichte vieler Menschen.
Das 1772 in Karlsruhe geschmiedete Richtschwert des Tübinger Scharfrichters Belthle ist im Stadtmuseum im Prinz Max Palais ausgestellt. Die Scharfrichter Familien Belthle und Kratt vererbten sich
das Schwert über viele Generationen.
Auf Schloss Burg in Solingen sind zwei Richtschwerter des Solinger Klingenschmied Peter Munich ausgestellt. Eine der beiden Klingen ist auf das Jahr 1674 datiert.
Im Heimatmuseum Bergen Enkheim liegt das Schwert des Frankfurter Scharfrichters. Geköpft wurde damit im Zeitraum 1484 – 1537.
Im Jahre 1582 schaffte sich die Stadt Jever ein eigenes Richtschwert an. Heute sieht man es im örtlichen Schlossmuseum. Direkt am Anfang der Klinge gibt es einen Weihespruch.
Zu Zeiten der Reformation haben große Teile in Schwäbisch Gmünd an ihrem Glauben festgehalten. Es gab extrem viele Hexenverfolgungen und der örtliche Scharfrichter Leonhard Fritz machte eifrigen
Gebrauch von seinem Richtschwert. Das reichlich verzierte Schwert wurde um 1605 von dem Solinger Schmied Johannes Wundes gefertigt. Die breite Klinge zeigt neben einem JW einen Königskopf und
Reichsapfel.
Einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Richtschwerter erhalten wir in einem Staatsarchiv.
Als Nachlass der Familie von Stockhausen zu Wülmersen wurde auch das „Richtschwert“ im Staatsarchiv Marburg deponiert. Das Archiv beschreibt dieses Richtschwert detailliert wie folgt: „die Waffe
ist insgesamt 110 cm lang; die flache, unten abgerundete Klinge misst in der Länge 84,5 cm, oben ist sie 4,5 cm, unten 3,5 cm breit. Zwischen Klinge und Griff befindet sich die Parierstange, ein
etwa 1 cm starkes Vierkanteisen, das an den Kanten abgeschrägt ist und sich zu den Enden konisch verdickt. Der insgesamt 23,5 cm lange Griff ist mit braunem Leder (17 cm) umwickelt, nach oben ist
er durch einen birnenförmigen Knopf aus Metall (6,5 cm) abgeschlossen. Die Klinge steckt in einer Scheide aus etwa 4 mm dicken Leder, dessen braune Farbe heute starke Gebrauchsspuren aufweist
(Länge: 83 cm, Breite: oben 5,5 cm, unten 4 cm). Lässt schon die äußere Erscheinung auf eine Hiebwaffe und damit auch ein Richtschwert schließen, so machen die Inschrift und Gravierung auf der
Klinge diese Zweckbestimmung eindeutig. In die Blutrinne, die 1,5 cm unter der Parierstange beginnt und etwa 22 cm lang sich nach unten verjüngend spitz ausläuft, ist auf der einen Seite der Name
des Klingenschmiedes Johannes Wundes aus Solingen (1560-1610) im Genitiv „IOHANNIS WVNDES“ zwischen seiner Meistermarke, dem Reichsapfel, eingeschlagen; Name und Vorname sind durch eine
vierblättrige „Blüte“ getrennt. Die andere Seite trägt in der Blutrinne - wieder zwischen Reichsäpfeln, der Meistermarke, - die Inschrift: VIM VI REPELLERE * LICET; zwischen REPELLERE und LICET
ist ebenfalls die Blüte eingeschlagen. Unter dem zweiten Reichsapfel ist in die Klinge ein achtspeichiges Rad graviert, aus dem ein Galgen hervorgeht.“
Der Solinger Johannes Wundes war ein zu seiner Zeit bekannter Klingenschmied; Arbeiten aus seiner Werkstatt finden sich in einigen namhaften Waffensammlungen Europas. Dieses Richtschwert wird in
die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts datiert.
Solingen spielt bei der Herstellung und dem Vertrieb von Richtschwertern eine führende Rolle. Bei diesen speziellen Schwertern sind alleine in Bayern von ca. 1500 bis zu den Anfängen des 19.
Jahrhunderts 88 dieser Schwerter nachgewiesen. Bei über 90% der heute archivierten Richtschwerter zeigen sich Parallelen bei Länge und Breite der Klingen. Auffallend ist die gleichbleibende
Breite im Ort. Sie ist nicht zugespitzt wie bei den Kampfschwertern sondern stark gerundet. Durch einen Kaufbrief vom März 1664 (hier geht es um einen Streitfall im Bezug auf das Zeichen „Herz
mit dem Kreuz“) lässt ich die frühe Aktivität der Solinger nachweisen. Veränderungen gab es bei den Kreuzgefäßen die zunächst aus Eisen angefertigt wurden. Im 17. Jahrhundert ging man zu Messing
über und fertigte diese Schwerter so bis in das 18. Jahrhundert Das Richtschwert als festgelegter Typ eines Schwertes entwickelte sich Mitte des 16.Jahrhunderts. Eindeutig benutzt durch einen
Scharfrichter in Deutschland lässt sich das Richtschwert um 1540 datieren. Eine Notiz in Bern (Schweiz) ist auf das Jahr 1437 datiert.
Hier wird einem Schwertfeger die Arbeit des „Fegen und Fassen“ eines Richtschwertes vergütet. Die Schweizer Städte verfügten oft auch über mehrere Richtschwerter. So hatte die Obrigkeit in Zürich
im Jahre 1503 gleich vier eigene Richtschwerter.
1782 wurde in der Schweiz die Dienstmagd Anna Göldi als letzte Hexe mit einem Schwert geköpft. Am 9. Sept. 1852 wurde der Metzgergeselle Georg Treiber wegen Raubmord in München öffentlich mit
einem Richtschwert geköpft.
Die zweite Ehefrau König Heinrich VIII, Anne Boleyn, wurde wegen vorgeblichen Ehebruchs und Hochverrats im Tower zu London geköpft. Es wurde eigens ein Henker aus Calais geholt, der sehr gut mit
einem Richtschwert umgehen konnte. Diese Hinrichtung fand am 19. Mai 1536 unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Der Hamburger Pirat Klaus Störtebeker und ca. 30 seiner Gefolgsleute wurden am 20. Oktober 1401 durch den Scharfrichter Meister Rosenfeld mit einem Schwert enthauptet. Bei dieser
Massenenthauptung gibt es viele Widersprüche und erfundene Geschichten.
Ebensolch ein öffentliches Spektakel war die öffentliche Hinrichtung des Dr. Nikolaus Krell am 9. Okt. 1601 auf dem Dresdner Neumarkt. Als Verfechter des Calvinismus, seiner religiösen
Überzeugung, starb Krell durch das Schwert und politische Intrigen.
Der Vollzug der Todesstrafe im Deutschland des 19. Jahrhunderts ist die Frage nach dem „wie“ und „wo“. Nach der Abschaffung vieler Staaten im Deutschen Reich wurde zunächst einmal ein gemeinsames
Strafgesetzbuch eingeführt, in dem festgelegt wurde, dass die Todesstrafe in Deutschland einheitlich durch Enthauptung zu vollstrecken sei. Doch das Werkzeug der Enthauptung wurde nicht
exakt festgelegt. Dies wiederrum führte zu unterschiedlichen Praktiken in verschiedenen Deutschen Staaten.
Eine Anordnung des preußischen Königs aus dem Jahre 1811 bestimmte, dass überall dort in den preußischen Ländern, wo das Schwert zur Enthauptung verwendet wurde, nunmehr das Handbeil benutzt
werden sollte. Dabei legte der Delinquent den Kopf auf einen Richtblock, und der Scharfrichter führte einen Hieb mit seinem Hinrichtungsbeil aus. Die Zielgenauigkeit und
Treffsicherheit war hierbei genauer als bei Hinrichtungen durch das Schwert. Diese Bestimmung hatte Gültigkeit für alle rechtsrheinischen Gebiete, also die Provinzen Brandenburg, Pommern, Posen,
Ost- und Westpreußen, Sachsen, Schlesien und Westfalen, zu denen später noch Schleswig-Holstein und Hessen-Nassau kamen. In der Rheinprovinz dagegen hatte die französische Besatzungsmacht schon
1798 die Guillotine eingeführt, und als das Rheinland 1813 wieder von den preußischen Behörden übernommen wurde, behielten sie die Guillotine bei. Auch das Königreich Bayern wandte in der
linksrheinischen Rheinpfalz die Guillotine an, in den rechtsrheinischen Gebieten dagegen das Schwert. Ähnliches galt für das Großherzogtum Hessen. Im linksrheinischen Mainz wurde die Guillotine
verwendet, in den rechtsrheinischen Provinzen Starkenburg und Oberhessen das Schwert.
Der absolute Traumberuf war es wahrhaftig nicht. Nachdem sich die Rechtsprechung vom Vollzug trennte, kam ab dem 13. Jahrhundert der Beruf des Scharfrichters auf. Zur beruflichen Praxis gehörten
neben der Hinrichtung auch Folter, Beaufsichtigung von Bordellen, Kloakenreinigung und die Bestattung von Selbstmördern. Eine Enthauptung mit dem Schwert wurde nur durch den Scharfrichter selbst
vollzogen. Hier war großes Geschick die wesentliche Voraussetzung.
Scharfrichter verfügten vielfach über medizinische Grundkenntnisse und renkten Schultern und Knochenbrüche wieder ein. Der Beruf wurde auf den Sohn übertragen. So blieb die Familie Sausons über
vier Generationen die Henker von Paris. Die Hinrichtung durch das Schwert war seit dem 17. Jahrh. vorherrschend. Aber immer wieder wurde der Vorgang stümperhaft ausgeführt oder das Schwert war
stumpf. Dies wiederum hatte dann Konsequenzen für den Scharfrichter.
Letzte öffentliche Hinrichtung in Bremen erfolgte am 21. April 1831 die Giftmörderin Gesche wurde durch das Schwert enthauptet. In München gab es am 12. Mai 1854 – die letzte öffentliche
Hinrichtung mit dem Schwert. Doch auch heute gibt es einige Staaten, die dieses grausame Ritual mittels staatlicher Unterstützung einsetzen.
In Saudi – Arabien wurden 2008 drei Drogenschmuggler aus Pakistan öffentlich mit dem Schwert enthauptet. 1997 wurden in diesem Staat über 100 Menschen mit Schwertern öffentlich enthauptet. In
diesen Regionen hat die Enthauptung eine Beduinische Tradition.
Das Schwert ist eigentlich unüblich in diesem Erdteil, wird jedoch mit religiösem Hintergrund eingesetzt.
Auch bei unseren Nachbarn, den Eidgenossen, wurde ausgepeitscht, gerädert und verbrannt. Die Staatsaltertümersammlung des Kantons Schwyz zeigt zwei Richtschwerter aus der Zeit des 16. und 17.
Jahrhundert. Ein weiteres Richtschwert aus dem 19. Jahrhundert zeigt eine Gravur auf der Klinge mit den Worten „Richtschwert von Schwyz“. Eindeutige Belege, dass auch hier das Enthaupten durch
ein Schwert zur Geschichte der Gerichtsbarkeit gehört. In der Schweiz nannte man den Scharfrichter auch Nachrichter (d. h. der nach dem Richter kommt). Wie überall in Europa waren Scharfrichter
auch in der Schweiz gesellschaftlich geächtet, sie blieben in ihrem Berufstand unter sich. Der Beruf wurde in den Familien weiter vererbt und es entstanden auch hier regelrechte Dynastien
über viele Jahrzehnte hinweg. Auch in der Schweiz stand das enthaupten, wie überall in Europa, als „handwerkliche Kunst“. Einige Scharfrichter mussten sich sogar für schlechte Ergebnisse bei der
Obrigkeit entschuldigen oder wurden mit ihren Familien davon gejagt. Neben drei Richtstätten für andere Arten der Bestrafung lag die Richtstätte für Enthauptungen mit dem Schwert bei der
Weidhuob.
Der Scharfrichter ist seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hier nachweisbar.
In Aufzeichnungen wird das vermutlich älteste Schweizer Richtschwert wie folgt beschrieben:“Item vß gen xij ß Cunradt Messerscvhmidt, hatt das Richter Schwertt gfasset 1559)“
Auf der Klinge befindet sich eine Gravur Rad mit Galgen. Auf einem zweiten Richtschwert, mit 118 cm ungewöhnlich lang für ein Richtschwert, sind die Heiligen Christophorus und Georg.
Die letzte Hinrichtung mit dem Schwert in der Schweiz wurde nach 1815 an dem Verurteilten Hieronymus Kessler vollzogen.
Foto Richtschwert Klingenmuseum Solingen
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