Eine Welt für sich: Rasierklingen aus Solingen
Solinger Namen wie Otto Stamm, Ern, SOMEFO, Schaaf, Wüsthof, Fasan, Mutz oder Mulcuto gingen auf den dünnen Wechselklingen durch die Lande. Das Rasiermesser als Vorläufer war wesentlich komplizierter und kostenaufwendiger herzustellen.
Ein qualitativ gutes Solinger Rasiermesser war immer schon sehr kostenintensiv. Zum einen können Rasiermesser nur vom Fachmann hergestellt werden, dazu kommen die vielen Arbeitsgänge. So wird aus dem Spaltstück die Klinge geschmiedet und entgratet, danach wird der Erl gehängt und gezeichnet. Noch einmal wird gehärtet und Wate und Bord geschliffen. Die Borde werden abgemacht und geschärft, danach folgen mit grob, fein, klar und blau mehrere Arbeitsgänge gepliestet. Es folgt das Polieren sowie die Montur der Heftschalen.
Mitte der 1890er Jahre sollte sich die Rasur dann grundlegend ändern. Gillette erfand aus gehärtetem Stahl ein Plättchen, wobei die beiden Seiten extrem scharf waren. Die Stunde der sogenannten Wechselklinge schlug und absolut futuristische Apparaturen folgten. Ohne Rasierapparat keine Aufnahme der Klinge. Was folgte, war ein regelrechter Boom. Über 300 Rasierfabriken gab es schon bald in Solingen und noch hunderte sollten folgen. Der Produktionsaufwand war einfach, brauchte keine fundierten Kenntnisse und konnte in Kleinstbetrieben von einer Familie hergestellt werden.
Und die Ausstöße stiegen in schwindelnde Höhen. Die größten Produktionszahlen gab es zwischen den 1920er und 1940er Jahren. 1943 wurden in Deutschland 1.700.000.000 Rasierklingen hergestellt. Dem Preiskampf folgte ein Qualitätsverlust, der sich nach 1945 im wirtschaftlichen Aufbau nur schwer regulieren ließ. Am Schluss verbleiben in den 1950er Jahren nur noch einige Solinger Firmen. Die Herstellung einer Rasierklinge durchlief mehrere Stationen. Das Material des Rasierklingenbandstahls gab es kaltgewalzt in Stärken von 0,08 bis 0,15 mm. Heruntergedrückt wurde der Bandstahl in der Härterei unter mehreren Glühungen auf die gewünschte Stärke. Danach wurden die Bänder geschnitten und die Rohklinge wurde auf Stahlzusammensetzung und Härte geprüft. Jetzt folgte der Schleifvorgang als Vorarbeitsgang. Hier ging es auf Schleifautomaten um Millimeter und selbst das wurde früher von Hand gemacht. Und immer wieder folgen Kontrollen, denn bei jedem Arbeitsgang kann es zu Abweichungen unterschiedlicher Prozesse kommen. Am Schluss gehen die Klingen auf einen Automaten zum Polieren und Abziehen. Unter einer Lupe folgt dann die Hauptkontrolle der Solinger Rasierklinge.
Verpackt wurden die Rasierklingen viele Jahre hindurch in Heimarbeit, wobei jede einzelne Klinge in Rostschutzpapier und dann in Dtz. Päckchen gelegt wurden. Die moderne Verpackung lief später in Cellophanier-Automaten und Packautomaten. Nachdem der Solinger Rudolf Osberghaus in den 1930er Jahren Teflonbeschichtete Rasierklingen erfand, wurde dieses Patent im Jahre 1955 an die Fa. Wilkinson verkauft. Heute ist Wilkinson einer der größten Arbeitgeber in Solingen. So kommen bekannte Rasierklingen immer noch aus Solingen.
Einen gar nicht so ungewöhnlichen Weg ging die Fa. Walter Busch. 1934 gründet der Inhaber eine Schneidwaren Firma und legt sich auf spezielle Rasierapparate für Wechselklingen fest. Von Beginn an versendet die Firma alle Produkte per Post. Das geht so bis 1955, da werden Elektrorasierer mit großem Erfolg versendet. Heute ist Walbusch weltweit als Textilfirma bekannt. Der direkte Versand steht aber immer noch für eine alte Idee des Gründers.
© Text und Fotos Peter Nied
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