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28. Mai 2020

Für eine Gesellschaft der Vielfalt und der Teilhabe



Gedanken zum 29. Mai 2020, Jahrestag des Brandanschlages von 1993

von Tim Kurzbach

Der 29. Mai gehört normalerweise zu den Gedenktagen, an denen unsere Stadtgesellschaft enger zusammenrückt. Denn an diesem Tag jährt sich der Gedenktag an den Solinger Brandanschlag von 1993 zum 27. Mal. Drei Mädchen und zwei junge Frauen starben an diesem Tag durch rechtsextremistische, rassistisch motivierte Gewalt. Das Verbrechen macht uns auch in der Erinnerung immer wieder sprach- und fassungslos, verübt von jugendlichen Tätern aus unserer Klingenstadt. Sie suchten sich unschuldige Opfer und zerstörten das Leben einer unbescholtenen Familie, indem sie mitten in der Nacht ihr Haus anzündeten; einfach nur, weil sie Einwanderer waren.
In den Flammen starben:

    Gürsün Ince
    Hatice Genç
    Gülüstan Öztürk
    Hülya Genç
    Saime Genç

Wir trauern mit ihrer Familie um sie und werden sie nicht vergessen.

Körperlich enger zusammenrücken dürfen wir in diesem Jahr nicht. Auch nicht am Mahnmal an der Mildred-Scheel-Berufskolleg, wo wir im Anschluss an die Ansprachen, Gebete und die Schweigeminute sonst immer miteinander ins Gespräch kommen oder auch einander in den Arm nehmen. Denn wir müssen Abstand halten, auch in einem Moment, in dem es uns immer wichtig, war, Distanz zu überwinden, Distanz gar nicht erst aufkommen zu lassen. Ein Virus hat uns die „Regie" aus der Hand genommen. Gemeinsam mit der Familie Genç haben das Bündnis für Toleranz und Zivilcourage - das Bündnis koordiniert das Gedenken - und die Stadt Solingen beschlossen, das Gedenken 2020 nur als stilles Erinnern ohne Reden und als Schweigeminute stattfinden zu lassen. Denn wir dürfen niemanden der Gefahr aussetzen, sich bei unserer Versammlung mit dem Covid-19-Virus zu infizieren. Allerdings kann und darf es für mich auch in diesen schwierigen Zeiten kein Aussetzen oder Verschieben des Gedenkens geben.

Der Erfolg von Verschwörungstheorien zeigt, wie wichtig Erinnern und Aufklären ist.

Das Virus legt aber auch offen, wie notwendig unsere jährliche Erinnerungsarbeit und unser Appell für Humanität und gegen Vorurteile sind. Denn die ewig Gestrigen und neue rechtsradikale Wirrköpfe nutzen jede Möglichkeit zur Agitation. Ganz aktuell können wir Versuche von Rechts beobachten, die Pandemie zu benutzen, Keile in unsere friedliche und vielfältige Gesellschaft zu treiben. Unter dem Vorwand, die Grundrechte gegen überzogene staatliche Corona-Maßnahmen zu verteidigen, versuchen sie, verunsicherte, enttäuschte und verärgerte Bürgerinnen und Bürger zu unterwandern und unter ihrer Fahne zu versammeln. Das passiert nicht im Geheimen, sondern ganz öffentlich: ein bundesweit bekannter Verschwörungstheoretiker und durch antisemitische Äußerungen aufgefallener Journalist war der Hauptredner bei einer Demonstration gegen die Coronabeschränkungen mit vielen tausend Menschen in Stuttgart vor wenigen Wochen. Die Corona-Pandemie ist aber nur die Tarnung für das Projekt, rechtsextremistische Narrative von Weltverschwörungen und angeblichen Schuldigen in den Köpfen der Menschen zu verankern.

Auch in Solingen gab es den Versuch, eine ähnliche Demonstration zu organisieren und eine Bewegung in Gang zu setzen, doch es blieb sehr kleines Grüppchen, von dem niemand wirklich Notiz genommen hat. Solingen ist Gott sei Dank bunt statt braun - und das bleibt so. Und das ist auch gut so. Die Stadt Solingen setzt sich für ein tolerantes Miteinander ein, sie hat ein Handlungskonzept gegen Rassismus entwickelt, an dessen Umsetzung intensiv gearbeitet wird.

Deshalb wird auch die Verleihung des Ehrenpreises für Zivilcourage „Der Silberne Schuh" 2020 nicht ausfallen, sondern nachgeholt, sobald größere Veranstaltungen wieder zulässig sind. Denn die Botschaft der Auszeichnung wirkt gegen das Vergessen und wirbt für aktives Engagement: Sie enthält den Appell, sich für die demokratischen Werte der Gesellschaft einzusetzen und so gegen Rassismus und Ausgrenzung einzutreten. Wir in Solingen werden nicht zulassen, dass noch einmal ein Klima entstehen kann, in dem brutale Gewalt gegen Mitmenschen möglich wird.

Es ist umso wichtiger, dass wir als Menschen in der Klingenstadt dieses Signal immer noch und immer wieder in das Land und in die Welt senden. Denn, wie eben dargestellt, die Feinde der offenen und toleranten Gesellschaft schlafen nicht. Wir müssen wachsam sein und dem immer wieder aufkeimenden Antisemitismus und dem Rassismus unser „Nie wieder" entgegenhalten. Denn wir sind mehr - auch und gerade in diesem Corona-Frühling!

"Lasst uns Freunde sein". Die Friedensbotschaft von 1993 bleibt aktuell.

Streuen wir den Samen aus, der unsere Stadt so schön und liebenswert macht: den Samen der Nächstenliebe, der Toleranz, des Dialogs und der Freundschaft. Mevlüde Genç hat es uns vorgemacht. Die Mutter, Großmutter und Tante der Toten hat den Menschen in dieser Stadt vor 27 Jahren, noch unter dem Eindruck des Mordanschlags, die Hand gereicht und den versöhnenden, wunderbaren Satz formuliert: „Lasst uns Freunde sein!".

Diese Friedensbotschaft von Mevlüde Genc ist uns bis heute Auftrag, nicht nur an Gedenktagen:

Ein Beispiel dafür, wie wir den Auftrag umsetzen, ist das Landesprogramm „NRWeltoffen", an dem Solingen seit drei Jahren teilnimmt. Neben dem Bundesprogramm „Demokratie leben!" und der „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" ergänzt es das Engagement der Solinger Zivilgesellschaft. Ziel von NRWeltoffen ist die Entwicklung eines Handlungskonzeptes zur Stärkung von Demokratie und Menschenrechten in unserer Stadt. Gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Es geht um konkrete Arbeit in und mit Schulen, mit Jugendlichen, es geht darum, eine Kultur des Zusammenlebens aufzubauen - sei es in der Arbeitswelt, sei es im Sportverein. Die Stadt Solingen in Form des Stadtdienstes Integration und das Diakonische Werk arbeiten in diesem Prozess Hand in Hand. Wir teilen die Vision einer vielfältigen Stadtgesellschaft, an deren Segnungen und an deren Gestaltung alle teilhaben sollen. Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Selbstbestimmung für alle Solingerinnen und Solinger - das sind unsere Leitsterne.

Ein anderes Beispiel: Das Kunst-Projekt „Heim-Art", das am Wochenende nach Pfingsten im Proberaumhaus „Monkeys" stattfindet. Zwei junge Künstler wollen das Erinnern an Vergangenes in einem Workshop für junge Menschen produktiv für die Zukunft machen. Der Comedian Khalid Bounouar und der Filmemacher Mirza Odabasi („93/13 - Zwanzig Jahre nach Solingen") zeigen Jugendlichen, wie sich erlebte Diskriminierung künstlerisch aufarbeiten lässt. Die Teilnehmenden setzen ihre Erfahrungen selbst in Kunst um. Es kann ein Gedicht sein, es kann aber auch eine Fotografie oder ein Film dabei entstehen. Auf die Ergebnisse dürfen wir gespannt sein. Ausrichter ist die AWO Arbeit und Qualifizierung.

Solche lebendigen, innovativen Projekte braucht unsere Klingenstadt, ja, unser Land, um klar zu machen: Wir leben hier! Alle gehören zusammen! Deutschland ist unsere Heimat. Egal, ob die eigenen Wurzeln in Ohligs, Gräfrath, Anatolien oder Syrien liegen: Wir sind Solingen! So sind wir: Menschen in Solingen und in der einen Welt.

 

Foto (c) Peter Nied

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Arbeitsbedingungen für ältere Beschäftigte verbessern

VdK-Präsidentin: Arbeitsbedingungen für ältere Beschäftigte verbessern

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Zum Vorstoß von Bundeskanzler Olaf Scholz, ältere Menschen länger in Beschäftigung zu halten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele:

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Bereits jetzt sind Ältere, die kurz vor dem Rentenalter stehen, zu selten sozialversicherungspflichtig in Vollzeit beschäftigt. Sie halten nicht so lange durch, weil sie aus gesundheitlichen Gründen oder behinderungsbedingt nicht dazu in der Lage sind. Auch Menschen, denen die berufliche Qualifikation fehlt oder deren Wissen veraltet ist, schaffen es oft nicht, bis 67 Jahre zu arbeiten. Um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, brauchen geringer Qualifizierte, gesundheitlich Eingeschränkte und physisch und psychisch hart Arbeitende deshalb besondere Regelungen und Angebote von den Arbeitgebern.

Zudem müssen auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Familie und Beruf miteinander vereinbaren können. Wer zuhause einen Angehörigen pflegt, muss derzeit oft seine Stunden reduzieren oder seinen Beruf aufgeben, weil die Pflege zuhause nicht anders zu bewältigen ist und es zu wenig Unterstützungsangebote gibt. Mit einem Rechtsanspruch auf Tagespflege könnte man hier gegensteuern und die Menschen, die pflegen und arbeiten, deutlich entlasten."

Zahl der Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten binnen zehn Jahren mehr als verdreifacht

• Ende 2021 waren 295 000 Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten erfasst
• Indien wichtigstes Herkunftsland
• Auch Arbeitskräfte-Zuwanderung aus EU-Staaten nimmt zu

WIESBADEN – Die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer, die aus Staaten
außerhalb der Europäischen Union (EU) befristet zum Arbeiten nach Deutschland
gekommen sind, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Ende 2021
waren gut 295 000 Menschen im Ausländerzentralregister erfasst, die eine
befristete Aufenthaltserlaubnis für eine Erwerbstätigkeit hatten. Wie das
Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, hat sich deren Zahl damit
innerhalb von zehn Jahren mehr als verdreifacht (+226 %). Zum Jahresende 2011
waren noch gut 90 500 Menschen mit einem solchen Aufenthaltstitel in
Deutschland erfasst.

Quelle: Destatis

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Peter Nied

Cassandra Fuchs

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