
Wenn Lebenszeit im Auto flöten geht
Solingen/Sie sitzen morgens um sechs im Auto und sind oft erst abends um acht zu Hause: Ein Großteil der rund 700 Bauarbeiter in Solingen nimmt enorme Pendelstrecken in Kauf – ohne die Zeit für
die Fahrerei bezahlt zu bekommen. Darauf weist die Gewerkschaft IG BAU hin. „Bauarbeiter zählen zu den Rekord-Pendlern in der Region. Um zur Baustelle zu kommen, haben sie nicht nur besonders
weite Wege. Die Einsatzorte ändern sich auch ständig. Darunter leiden Familie, Freunde und Freizeit“, sagt Uwe Orlob, der stellvertretende Bezirksvorsitzende der IG BAU Düsseldorf. Erstmals soll
es nun eine Entschädigung der sogenannten Wegezeiten am Bau geben. Das fordert die Gewerkschaft in der laufenden Tarifrunde, die am 25. Juni in Wiesbaden fortgesetzt wird.
Nach einer aktuellen Untersuchung des Pestel-Instituts legen Bauarbeiter in Deutschland im Schnitt 64 Kilometer für die einfache Strecke zur Arbeit zurück. In der repräsentativen Umfrage unter
4.800 Bau-Beschäftigten gab jeder Vierte an, mehr als eine Stunde zur Einsatzstelle unterwegs zu sein – plus Rückfahrt. Zum Vergleich: Unter allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betrifft das
nur fünf Prozent.
IG BAU-Vize-Bezirkschef Uwe Orlob spricht von „verlorener Lebenszeit“ und fordert die Baufirmen dazu auf, den Einsatz ihrer Mitarbeiter anzuerkennen. „Mobiles Arbeiten gehört natürlich zum Bau
dazu. Es wird immer woanders gebaut. Aber dann müssen Bauarbeiter für die Fahrerei immerhin eine Entschädigung bekommen – entweder durch Geld oder Zeit-Guthaben“, so der Gewerkschafter. Damit
könne die Bauwirtschaft auch einen wichtigen Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten. „Berufsstarter überlegen sich dreimal, ob sie in einer Branche anfangen, in der sie mehr Zeit im Bulli als
zu Hause verbringen.“
Foto IG BAU
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