
Dolche für das „Reich“
Politische Einstellungen der Solinger Firmeninhaber von 1933-1945, sowie die Haltung zur Umstellung auf Rüstungsproduktion, haben wir aus subjektiver Sicht an dieser Stelle nicht zu kommentieren. Einen interessanten wie komplexen Vorgang möchten wir aber dennoch dokumentieren.
Seinen zeitlichen Ursprung hatte die außergewöhnliche Dolch Geschichte im Jahre 1933. Beginnen wir zunächst mit der Jugend, der HJ und ihrem HJ-Fahrtenmesser, auch HJ-Dolch genannt. Das, in der Form einem Bajonett ähnliche Messer wurde im Sommer 1933 bei der Hitlerjugend eingeführt. Der Dolch war ein Teil der Uniform, musste jedoch nicht zwingend getragen werden. Geht man davon aus, dass die HJ ca. 8,1 Millionen Mitglieder hatte, der Dolch aber kein Muss war, liegt die gefertigte Stückzahlschätzung bei 5 Millionen. In Solingen nahmen die Aufträge unter anderem die Firmen:
J. A. Henckels Zwillingswerk
Richard Abr. Herder
Eduard Wüsthof Dreizackwerk
Pumawerk (Lauterjung & Sohn)
Friedrich Herder A.S.
Karl Heidelberg
Carl Eickorn
zur Fertigung an.
Diese Aufträge wurden jedoch nur durch die Reichszeugmeisterei (RZM) mit einer zugeteilten Nummer vergeben werden. Und eben dazu konnten die Solinger Firmen auf eigenen Wunsch eine Lizenz kostenpflichtig erwerben. Bis August 1938 trug der Dolch für Hitlers Burschen das Motto "Blut und Ehre" auf der ersten Blattseite. Etwas merkwürdig erscheint doch der Umstand, dass nach 1945 das Messer von christlichen Verbänden der Pfadfinder in gleicher Form übernommen wurde. Die Pastille mit dem Hakenkreuz wurde durch eine Pastille mit einer Lilie ausgetauscht. Noch umfangreicher ging es in Solingen bei den SA und SS Dolchen zu. Der warme Regen des Führers gelang in weit über 100 Messer Fabriken im gesamten Solinger Gebiet. Bereits ein halbes Jahr nach der Machtergreifung durch Hitler, entschied sich dessen Stabschef, Ernst Röhm, die Gliederungen der SA und SS mit Dolchen auszustatten. Diese Dolche wurden unter Lizenz der RZM in 118 Betrieben fast ausschließlich in Solingen hergestellt.
Der Herstellungszeitraum gliederte sich in drei Phasen, der Früh 1933-35, Mittel 1936-38 und der Spätvariante1938-41. Prof. Schmidt entwarf den Dolch nach dem Vorbild eines Schweizer Dolch aus der Zeit um das 15. Jahrhundert. Weihnachten 1933 gab es zunächst den Weihnachtsdolch nur für hohe Leiter der SA direkt aus Solingen. Alle Dolche durchliefen, zumeist in Handarbeit, alle bekannten Produktionsschritte eines großen Messers. Mit enormem Aufwand von Mensch und Material begann die Produktion im Januar 1934. Schon Ende des gleichen Jahres trugen 3 Millionen SA Männer und 220.000 SS Mitglieder diese Solinger Dolche. Im Gebiet der Klingenstadt nahm in diesem kurzen Zeitraum die Arbeitslosigkeit spürbar ab und ging regelrecht gegen null. Vom Führer selbst gab es ein großes Lob für Solingen und seine Schleifer. Frei nach der Dolch Devise alles für Deutschland erhielten die Solinger Firmen weitere Aufträge
. Mit den Verfügungen 1444/34 und 1444/34 II durch Röhm war der Weg frei für 125.960 Stck. Ehrendolche aus Solingen für die SA. Und es gingen Geschenkdolche sowie SA Dienstdolche in weitere Produktion. Henckels, Eickhorn, Wüsthof undd andere Betriebe hatten volle Auftragsbücher. Auch ganz seltene Stücke kamen aus Solingen. So der, von Paul Casberg entworfene, Feldherrnhalle Dolch für Führer des Stabes. Dieser Dolch durfte nur von der Firma Eickhorn gefertigt werden. Auch die 6.000 Schüler der NAPOLA Schulen (Ausbildungsschulen der kommenden Nazi-Elite) erhielten einen Dienstdolch.
1935 gab es wieder neue Aufträge für Solinger Schneidwarenfabriken. Die Heeresleitung führte den Heeresoffiziersdolch ein. Die Auflage für diesen etwas längeren Schmuckdolch war sehr hoch und 33 Firmen gaben ihr Bestes für die Offiziere des Führers. Dieser Dolch, ebenfalls von Paul Casberg (Eickhorn) entworfen, war wesentlich schmuckvoller als die kurzen SS und SA Dolche. Dieser Dolch wurde mit Portepee und einem Gehänge getragen und bestand aus: Griff, Knauf, Griffring, Parierstange, Stoßleder und der Klinge.
Es gab einen Code aus drei Buchstaben und der zeichnete Bajonette. Auch dieser Artikel ist ein Stück Solinger Schneidwarengeschichte. Da hatten Henckels Bajonette edg oder sgx stand für Hörster.
Das war ein direkter Bestand von Kriegswaffen aus Solingen. 1939 bei Kriegsbeginn hatte das deutsche Heer eine Stärke in Millionenhöhe. Und Millionen Bajonette kamen überwiegend aus Solinger Betrieben.
© Peter Nied
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