Geschichte der Gabel
Solingen/Bodo Glaub(+)/Peter Nied
- die Historie der Gabel ist, wie andere Besteckteile auch, recht umfangreich. Sprachgeschichtlich ist darauf zu verweisen, dass das schwedische und dänische Wort "Gaffel" dem Mittelniederdeutschen , das finnische "Gaffeli" oder "Kaffeli" dem Germanischen entlehnt sind, und es im Angelsächsischen "Gafol" oder "Geafel" (mundartlich "Gafle“) heißt, jedoch bedeutungs - und kulturgeschichtlich bleibt festzustellen, dass sich zur Bezeichnung des Eßgeräts in den skandinavischen und angelsächsischen Ländern - in entsprechender Abwandlung - das lateinische Wort "Furca" durchgesetzt hat. Bei uns hingegen wurde furca zur Forke, gleich der Heu - oder Mistgabel. Einzig die deutsche Sprache bedient sich im Zusammenhang mit dem Essen des Wortes Gabel. Altsächsisch "Gafala" Althochdeutsch "Gabala" hat sich aus dem Zeitwort "geben" entwickelt und ist -nach Grimm - dem keltischen "Gabal" verwandt im Sinne von "fassen" oder "ergreifen", und dürfte auch mit dem altdeutschen Wort "Gafall" (Abgabe) zusammen hängen. Linguistisch stehen dem althochdeutschen "Gabala" gleichfalls nahe das altirische "Gabul" , das einem gegabelten Ast , den Gablungspunkt zweier Schenkel bezeichnet, das bretonische "Gavl"oder "Gaol" (Gabelung), aber auch das Wort "Gafl" aus dem Lande der Ymrier, eines noch heute existierenden Reststammes der Kelten im englischen Wales. Ob diese keltische Nomen freilich mit dem germanischen ""Ghabhlo" sprach verwandt ist, bleibt (wie J. Trier treffend bemerkt) sehr fraglich. Sicher hingegen und eine Bestätigung des oben beschriebenen jedoch ist, dass das lateinische Wort "Gabalus" welches einen Galgen oder ein Kreuz bezeichnet, aus dem Gallischen entlehnt worden ist. In welchen Zusammenhängen aber wird das Wort Gabel im heutigen Sprachgebrauch angewandt? Ein Baum kann Gabeläste besitzen, der Hirsch hat ein Gabelgeweih. Der Gauner gabelt, wenn er schwört, und im Plattdeutschen, besonders an der vorpommerschen Küste, erinnert folgende Redensart an diesen Sinn"Wenn ick min Recht man ierst up de Goabel (den beiden Schwörfingern) hew..." Und an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit spricht Dante Alighieri, der Schöpfer der italienische Hochsprache, von der "Gabel, die man braucht zum Gehen" und meint damit die Beine des Menschen, den Menschen als zweibeiniges Wesen. Dante war Guelfe, Anhänger der Welfenpartei, welche von den Ghibellinen, der Gegenpartei der Hohenstaufen heftig bekämpft wurde. Und man wollte die politische Einstellung auch daran erkennen, wie Messer, Gabel und Löffel aufgelegt waren: rechts vom Teller aufliegend, galt als Parteigänger des guelfisch denkenden Papstes und der mit ihm verbündeten italienischen Städte, oben hinter dem Teller jedoch als Anhänger der ghibellinischen Kaiserpartei. Wohl werden bereits im frühen Mittelalter dreizinkige Gabeln, beispielsweise im "wigalois" oder im "Guillaume d'Orange", benannt, aber diese Gabeln, Kröul oder Kröuwel heißend, besaßen eine ziemliche Größe und wurden daher ausschließlich in der Küche verwandt. Grimm deutsches Wörterbuch nimmt an, dass sich aus diesen großen eisernen Küchengabeln die Tisch- und Speisegabel entwickelt hat, und führt als Begründung an, dass die kleinere Schwester noch bis ins 16. Jahrhundert hinein in Deutschland als "Gäbelin" und in Frankreich als "fourchette" bezeichnet wurde. Andererseits ist aber aus der Küchengabel, welche hinwiederum sich auf den Bratspieß als Vorläufer berufen kann, in späterer Zeit die Vorlegegabel hervorgegangen. Eine Miniatur im Kodex des Rhabanus Maurus "de originius rerum" aus dem Jahre 1023 zeigt jedoch bereits ein scheren ähnliches Gabelinstrument, mit welchem die Speise zum Mund geführt wird. Dieses Gerät besitzt zwei lange Zinken, die in Folge der Verankerung in einem Scharnier den Vorzug der Beweglichkeit und damit die Möglichkeit besitzen, Speiseteile jedweder Größe erfassen zu können. Darüber hinaus wäre jedoch nur noch eine Stelle aus dem "Opusculum de Institut Monial" Kapitel 11 des Petrus Damiani aus dem Jahre 1050 zu erwähnen, die berichtet wie folgt:"Der Doge von Venedig, Orseolo II. hatte eine Byzantinerin zur Frau, die in solcher Verzärtelung und Weichlichkeit lebte, dass sie sich nicht nur mit sozusagen abergläubischer Selbstfreude und Verliebtheit streichelte und koste, sondern es sogar verabscheute, sich in gewöhnlichem Wasser zu waschen. Anstelle dessen mussten ihre Sklaven den Tau überall aufsammeln und ihr daraus mit unendlicher Mühe das Bad bereiten. Sie rührte keine Speise mit den Fingern an, sondern die Eunuchen mussten ihr die Gerichte in kleine Stücke haargenau schneiden, die sich dann mit einem Zweizinkigen Gäbelchen aus Gold in den Mund schob. Ihre Zimmer rochen nach soviel Parfüm und aromatischen Gewürzen, dass mir beim Schildern übel und der Leser es doch nicht glauben würde." Und der Chronist geistigen Standes und Latain schreibend unterlässt nicht mitzuteilen, dass vom Volk dieser Gebrauch der Gable als Strafe Gottes - damals suchte eine Pestepidemie das Land heim - angesehen wurde, und bleibt der Auffassung, dass man auch weiterhin die natürlichen von Gott verliehenen Esswerkzeuge, nämlich die Finger, benutzen sollte. Die purpurgeborene Prinzessin des byzantinischen Kaiserhofes soll schließlich lange vor ihrem Tode, so plaudert die mittelalterliche Fama behaglich weiter, einen heftigen Leichengeruch ausgeströmt haben. Aber noch 1601 lesen wir in den Statuten der "Compagnia della Lesina", auch "Compagnia del Risparmio" genannt:"Unsere Mitglieder mögen von ihrem Tisch Gabeln und Löffel verbannen: Hat uns nicht Mutter Natur 5 Finger an jeder Hand geschenkt? Warum sie mit jenen dummen Instrumenten beleidigen, die eher dazu geschaffen sind Heu aufzuladen denn das Essen? Möge der kluge "Lesinante" diese entarteten Geschöpfe, die alles zersägen, wo sie nur hinkommen, vermeiden und sich seiner Hände bedienen, voll Verachtung mechanischen Werkzeuge, die nur den Haushalt verteuern, ja deren Instandhaltung noch Geld kostet!" Es ist schon so wie Wilhelm Treue schreibt:"Jede Neuerung, die eine Erhöhung der Bequemlichkeit schuf, wurde als ein Merkmal des Sittenverfalls und der Schwäche hingestellt. so die Einführung der Matratzen statt der Strohsäcke, der Betthimmel und Bettvorhänge, der Beleuchtung durch Talg - und Wachskerzen statt durch Fackeln. Das ist bis heute stets so geblieben. Und erstaunlich daran ist eigentlich nur, dass sich trotz so abschreckender Beispiele Menschen finden, die wohl auf Matratzen schlafen und mit Gabeln essen aber die Einführung einer neuen Annehmlichkeit zu ihrer Zeit mit eben der sittenhüterischen Schärfe bekämpfen, wo ihre Vorgänger einst die Fackel gegen das Tageslicht und später diese gegen die Gas - und elektrische Beleuchtung verteidigt haben." Tempora mutantur und unsere Zeit, das 20. Jahrhundert, rechnet es sich und Gott zur Ehre an, den Einband des teuersten Buches dieses Jahrhunderts, der Offenbarung des Johannes, welches von dem Pariser Verleger Joseph Foret angeregt die bedeutensden Schriftsteller und Maler der Zeit zur Gestaltung heranzog, mit Symbolen von Messern und Gabeln zu versehen. 210 kg wiegt der schwere Bronzeeinband, welcher von dem Surrealisten Salvador Dalí geschaffen wurde. Honig fließt aus dem Zentrum des Buchdeckels, woraus sich Christus, auf Gold gemalt, erhebt: Symbolisierung des Lebens. Vier Messer und Gabeln, aufgelegt in Richtung der vier Windrichtungen, bilden als Elemente des Alltags gleichzeitig ein Gitter, hinter dem das Menschliche gebunden liegt, und einem Strahlenkranz. Im Mittelalter jedoch glaubte man weiterhin, dass auf der Gabel, weil sie des Teufels Forke bzw. Feuergabel ist, die „Gabelhuren“, die Hexen reiten. Wenn man die Gabel zum Tönen bringt, weiß der Teufel, dass man ihn ruft. Und die Not zu Gast ruft, wer mit ihr auf den Tisch schlägt. Dieses Volksglaubens, oder besser gesagt Volksaberglaubens, ungeachtet aber tauchte die Tafelgabel Ende des 13. Jahrhunderts immer häufiger in den Schatzverzeichnissen der Zeit auf. Funde sind aus dieser Zeit nicht auf uns gekommen, aber wir wissen zuverlässig aus Urkunden, dass beispielsweise die Gemahlin Ludwig X. Von Frankreich 1314-1316 eine Ungarin, und aich die dritte Gemahlin Karl IV. Von Frankreich 1325 schon eine Gabel besaßen. Nach ihrem europäischen Ursprungsland“piron“ oder „pirone“ genannt, bleiben diese zweizinkigen Gäbelchen freilich auch noch im 14. und 15. Jahrhundert eine Seltenheit und fast ausschließlich an Fürstenhöfen zu finden. Nicht verwechselt werden wollen sie jedoch mit wesentlich verbreiteteren kleinen Gabelinstrumenten, die die Damen diskret in der Handtasche trugen, um sich mit ihnen heimlich zu kratzen. Vorlege gabeln, mit welchen man Fleisch aus den Schüsseln auf die Teller tat, waren vom Beginn des Mittelalters an bekannt. Und im Jahre 1423 wird uns vom Königshofe von Aragon berichtet, dass dort bereits zweierlei Arten von Gabeln im Gebrauch seien, nämlich die dreizinkige Zerlege gabel und eine zweizinkige Vorlegegabel, mit der man essen kann, ohne sich die Hände zu salben. Die forcina per li frutti der italienische Hochreneaissinance, auf welche wir noch bei der Darstellung des 17. Jahrhunderts zu sprechen kommen, hatte drei Zinken und eignet sich schon etwa um 1570 die geschwungene Form unserer heutigen Essgabel an. In Venezien ist "pirone" die einzige Bezeichnung der Tischgabel, der "piron" bei Grimmelshausen ist jedoch ein Gerät zum Vorlegen von größerem Obst. Doch damit haben wir bereits den Schritt über das Mittelalter hinaus getan. Die drei mit dem Geschirr Piers Gaveston erhaltenen Gabeln sind nachweislich zum Essen von Birnen bestimmt gewesen., und eine andere, im Testament von John Baret aus dem Jahre 1463 erwähnt, wurde zum Gebrauch von grünem Ingwer benutzt. Das Inventarverzeichnis des Grafen von Oxford führt 1513 zwei kombinierte Gabeln und Löffel an. Eigenartigerweise sind im späten Mittelalter die kleinen Gabeln nie passend zum Messer, sondern ausschließlich passend zum Löffel gemacht worden. Auch Klappgabeln wurden oft in Verbindung mit Löffeln hergestellt. Freilich sind diese Gabeln nicht zum Essen von Fleisch verwendet worden, sodass das Messer nicht zu Hilfe genommen werden brauchte. Und Früchte oder Konfekt, bei deren Genuss Gabeln damals vornehmlich eine Rolle spielten, wurden entweder nicht zerteilt oder waren bereits vor Gabelgebrauch zerschnitten worden. Charlotte von Savoyen hatte eine Gabel für Zuckerwerk, die Herzogin von Orleans erhielt 1390 eine Gabel zum Geschenk "a prendre la souppe au vin" aber in den meisten Fällen des 14./15. Jahrhunderts wurde sie doch beim Zumundeführen kleiner Früchte benutzt. Vom Herzog von Burgund heißt es in den Comptes von 1420 und 1427, daß er eine Gabel besaß“pour manger des meures“ (Brombeeren). Und als Erdbeeren in Mode kamen, wurde die Nachfrage und das Bedürfnis der adeligen Damen nach zierlichen Gäbelchen auffallend größer. Das Inventar der hübschen , in guter Lebensart tonangebenden Gabriele d`Estree aus dem Jahre 1599 gibt sogar gleich zwanzig solcher Gäbelchen an. Nur selten allerdings dienten sie, wie von Karl dem V. berichtet wird, zum Verzehr von Käsebrotschnitten , von „rosties de Fromage“. Das Herstellungsmaterial, insbesondere der Griffe, war in dieser Zeit sehr kostbar. Eine Quelle aus dem Jahre 1380 benennt eine massiv goldene Gabel mit einem Saphir als Griffhaube und mehrere silberne oder vergoldete Gabeln mit Kristallgriffen. Auch der Herzog von Berry, dessen Güterverzeichnis aus dem Jahre 1416 erhalten ist, besaß „une fourchette avec une euredent d`or, une fourchette de cristal garny d`or“ und „quatre fourchettes d à rgent a` man au bout“, ches de cristal“. Das Inventar des Königsschlosses von Vincennes verzeichnet anno 1418 „une fourchette d` or plaine a` une saphir au bout“, und im Louvre von Paris kann man noch heute die silbernen Gabeln des französischen Königs aus diesem Jahrzehnt bewundern. König Franz I. Von Frankreich kauft 1534 eine Gabel mit Ebenholz griff, die Damaszierung, Goldarbeit und eingelegte Edelsteine aufweist. Der König von Navarra gar besitzt eine große Gabel aus Jaspis „garnye d`argent dore`“. Doch diese Aufzählung will keineswegs den Eindruck erwecken, als ob der Gebrauch der Gabel nun wesentlich zugenommen hätte. Es ist vielmehr auch für das Spätmittelalter festzuhalten, dass Gabeln sehr selten vorkommen und weitgehend unbekannt bleiben.
Quelle: Bodo Glaub, Köln, Peter Nied Archiv
Fotos: Glaub, Nied
Gabel-Arten
Tafelgabel (größte Essgabel) Menügabel (Zwischengröße, seit dem Zweiten Weltkrieg bis heute) Dessertgabel (kleinere Essgabel, manchmal auch mit drei Zinken) Kuchengabel (viel kleinere Dessertgabel, eine linke Zinke zum Drücken ist meist breiter und stabiler) Konfekt gabel (viel kleiner als Dessertgabel, oft nur mit drei Zinken) Tranchiergabel (viel größer als eine Tafelgabel, aus dem zweiteiligen Fleischvorlegebesteck) Fischgabel (etwas kürzere und breiteres Vorderteil, vier Zinken) Kartoffelgabel (kurzstielig und dreizinkig, wobei die Zinken nicht parallel liegen, sondern in Dreiecksform versetzt sind) diverse Vorlege gabeln (meist zweizinkig, darunter auch eine Art mit „Ladegut-Abstreifer“)
Quelle: Wikipedia/Ergänzungen Nied
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