
Gastro-Beschäftigte in Solingen
beim Einkommen abgehängt
Sie arbeiten dann, wenn andere frei haben, kommen mit ihrem Lohn aber kaum über die Runden: Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte verdienen in Solingen weit unterdurchschnittlich – und
könnten aus Geldsorgen ihrer Branche immer häufiger den Rücken kehren. Davor warnt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und verweist auf eine Analyse der Hans-Böckler-Stiftung, die
Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet hat. Demnach kommen Beschäftigte aus dem nordrhein-westfälischen Gastgewerbe, die eine Vollzeitstelle haben, auf ein mittleres Monatseinkommen von
aktuell nur 1.979 Euro brutto. Zum Vergleich: Branchenübergreifend liegt der Median bei Vollzeit in NRW bei 3.487 Euro. Das ergibt eine Lohn-Kluft von 43 Prozent. Nach Einschätzung der
Gewerkschaft dürfte sich der Einkommensunterschied auch in Solingen auf eine vierstellige Summe belaufen.
„Wenn Hotel- und Gastro-Beschäftigte beim Verdienst so stark abgehängt sind, dann darf sich keiner darüber wundern, dass sie sich in Zeiten der Corona-Krise einen neuen Job suchen. Denn viele von
ihnen mussten monatelang mit dem Kurzarbeitergeld auskommen, ein Teil der Beschäftigten ist noch immer darauf angewiesen. Das sind harte Einbußen bei einem ohnehin niedrigen Einkommen“, betont
Zayde Torun, Geschäftsführerin der NGG-Region Düsseldorf-Wuppertal. Obwohl die Wirte und Hoteliers ebenfalls stark von den Folgen der Corona-Pandemie getroffen seien, müsse nun alles dafür getan
werden, Löhne und Arbeitsbedingungen attraktiver zu machen. Gelinge das nicht, dürfte es in vielen Hotels, Gaststätten und Cafés schon bald nicht mehr genügend Personal geben, warnt die
Gewerkschafterin.
An den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Nordrhein-Westfalen appelliert die NGG, die Branche über einen neuen Tarifvertrag für die Zukunft aufzustellen. „Die Arbeitgeber klagen
selbst über die anhaltende Personalabwanderung. Dabei haben viele Probleme lange vor der Pandemie existiert – von unbezahlten Überstunden und langen Arbeitszeiten bis hin zu einem rauen
Umgangston hinter den Kulissen“, betont Torun. Bei den für diesen Herbst geplanten Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft habe der Dehoga NRW die Chance, die Betriebe gegen den Fachkräftemangel
zu wappnen. Über tarifliche Standards müsse das Lohn-Niveau angehoben und die Arbeitsbedingungen verbessert werden.
Die Gewerkschaft verweist darauf, dass seit anderthalb Jahren keine Tarifverhandlungen mehr für das nordrhein-westfälische Gastgewerbe stattgefunden haben. Mehrere Gesprächsangebote seien unter
Verweis auf die Corona-Pandemie abgelehnt worden. „Umso wichtiger ist es jetzt, am Verhandlungstisch zu Lösungen zu kommen, damit die Beschäftigten nach dieser schwierigen Zeit endlich eine
Perspektive haben“, betont Torun. Dazu gehörten armutsfeste Löhne „deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn“ – auch wenn dieser je nach Ausgang der Koalitionsverhandlungen im Bund auf zwölf
Euro pro Stunde steigen sollte. Nur durch eine bessere Bezahlung könnten Hotels und Gaststätten auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig sein, so die NGG.
„Ein wichtiger Punkt ist dabei, das Personal nach der fachlichen Qualifikation zu bezahlen“, sagt Torun. Viele Berufsbezeichnungen wie „Demi Chef de Cuisine“ oder „Concierge“ seien veraltet und
führten dazu, dass Beschäftigte in einer Lohngruppe landeten, in der sie weniger verdienten, als ihnen zustehe.
Außerdem sollten die Unternehmen die weiterhin verbreitete Kurzarbeit nutzen, um ihre Beschäftigten weiterzubilden und etwa in puncto Digitalisierung fit zu machen. Bei der Berufsausbildung müsse
mehr für die Qualität getan werden: „Wenn der Azubi das Auto des Chefs waschen muss, statt in der Küche zu lernen oder die Ausbilderin im Homeoffice ist, statt dem Nachwuchs etwas beizubringen,
dann kann es nicht überraschen, dass viele junge Menschen die Lehre hinschmeißen“, so Torun.
Darüber hinaus müsse die Tarifbindung gestärkt werden. „Eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband sollte nur dann möglich sein, wenn die Tarifverträge akzeptiert werden, die man gemeinsam
ausgehandelt hat.“ Nach Beobachtung der NGG kommt es immer häufiger zu sogenannten Mitgliedschaften „ohne Tarifbindung“. Dieser Trend müsse gestoppt werden, um flächendeckend nicht nur faire
Arbeitsbedingungen für das Personal zu haben – sondern auch faire Wettbewerbsbedingungen für die Firmen.
PM NGG
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