
DGB-Region Düsseldorf-Bergisch Land: Erwartungen an die Koalitionsvereinbarung
Voller Erwartungen verfolgt der DGB in der Region die Gespräche in Berlin. Zu dem Sondierungspapier der SPD/ Bündnis90/ Die Grünen und FDP haben wir acht wesentliche Aspekte aus Sicht des
DGB
formuliert, die bei den weiteren Verhandlungen Bestandteile einer Koalitionsvereinbarung sein sollten.
„Mit Anschreiben an die neu gewählten Bundestagsabgeordneten haben wir unsere zentralen DGB- Positionen und Anforderungen an eine neue Regierung noch mal verdeutlicht“, erklärte Sigrid
Wolf,
DGB Regionsgeschäftsführerin.
1. Stärkung der Tarifbindung und Mitbestimmungsrechte!
Im Sondierungspapier wurde angekündigt, die Mitbestimmungsrechte der Betriebsrät*innen zu verbessern. Der DGB begrüßt das ausdrücklich, weil die Herausforderungen des sozial-ökologischen
Wandels,
der Digitalisierung und der fortschreitenden Globalisierung nur gemeinsam mit den Arbeitnehmer*innen bewältigt werden können. Der DGB erwartet von der künftigen Bundesregierung ein
Bundestariftreue-
und Bundesvergabegesetz mit Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen mit Tarifverträgen, Ausbildung und Mitbestimmungsgremien, eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit, die Abschaffung
von
„Ohne-Tarif“-Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden und die Fortgeltung von Tarifverträgen bei Ausgliederungen. Zudem fordert der DGB die künftige Bundesregierung auf, die digitalen
Zugangsrechte
von Gewerkschaften und Betriebs- und Personalrät*innen zu erweitern. Schließlich müssen die Unternehmensmitbestimmung weiterentwickelt und rechtliche Schlupflöcher zu ihrer Umgehung
geschlossen
werden. Gesetze zur Unternehmensmitbestimmung müssen sich auch auf Unternehmen ausländischer Rechtsform mit Verwaltungssitz in Deutschland erstrecken. Effektive Sanktionen müssen eingeführt
werden, wenn Unternehmen die Mitbestimmungsgesetze rechtswidrig ignorieren. Das konsensorientierte Schlichtungsmodell der Montanmitbestimmung muss auf alle paritätisch mitbestimmten
Aufsichtsräte
übertragen werden.
2. Für eine gerechte Ordnung auf dem Arbeitsmarkt: prekäre Beschäftigung zurückdrängen!
Die im Sondierungspapier formulierte Regelung zu den „Minijobs“ lehnt der DGB ab. Sie steht im Widerspruch zu der ebenfalls formulierten Intention zu „verhindern, dass Minijobs als Ersatz für
reguläre
Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden“. Wir wollen dagegen eine Reform der „Minijob“-Regelung, mit der „Minijobber*innen“ sozial besser
abgesichert
werden, mindestens durch eine Rentenversicherung ohne Ausstiegsoption. Stufenweise soll die geringfügige Beschäftigung abgeschafft werden mit dem Ziel der vollen Integration in die
Sozialversicherung.
Zweitens fordert der DGB die künftige Bundesregierung auf, endlich das Befristungsrecht zu reformieren. Befristung erschwert die Lebensplanung insbesondere von jungen Beschäftigten und ihren
Familien.
Erforderlich sind die ersatzlose Abschaffung der sachgrundlosen Befristung und von Kettenbefristungen. Der Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen beendet werden.
3. Junge Beschäftigte brauchen Sicherheiten!
Noch nie gab es so wenige Ausbildungsverträge. Nur noch 20 Prozent der Betriebe bilden aus. Gleichzeitig wächst in der Transformation der Bedarf an qualifizierten Fachkräften. Der DGB fordert
daher
eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie im SGB III für alle Jugendlichen, die bis zum 30. September des Jahres noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Die Finanzierung soll
bedarfsbezogen
durch einen bundesweiten Zukunftsfonds erfolgen, in den die Betriebe einzahlen. Bewährte tarifvertragliche Regelung, wie in der Bauwirtschaft, wollen wir erhalten und das Entstehen neuer
tarifvertrag-
licher Regelungen fördern.
4. Hände weg vom Arbeitszeitgesetz!
Arbeitszeitsouveränität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muss immer im Einklang mit dem Gesundheitsschutz stehen. Eine Öffnung des Arbeitszeitgesetzes zur Erhöhung der
Tageshöchstarbeits-
zeit sowie zur Einschränkung der gesetzlichen Ruhezeiten lehnen wir strikt ab. Derartige „Experimente“ zu Lasten des Gesundheitsschutzes sind inakzeptabel. Die These, das Gesetz sei zu starr und
unflexibel,
ist falsch. Die bestehenden Gestaltungsspielräume der Tarifpartner sind ausreichend. Es ist ein eklatanter Widerspruch im Sondierungspapier, einerseits die Tarifbindung stärken zu wollen und
andererseits die
Arbeitszeit über Betriebsvereinbarungen zu flexibilisieren.
5. Sicherheit im Wandel durch mehr Zukunftsinvestitionen
SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP haben erheblichen Investitionsbedarf für die klimaneutrale Modernisierung des Landes festgestellt. Sie haben aber nicht formuliert, wie die öffentlichen
Investitionen finanziert
werden sollen. Eine solche Klarstellung ist aus Sicht des DGB überfällig, gerade auch im Sinne der Planungssicherheit. Als wesentlich sieht es der DGB an, alle Spielräume zur Kreditfinanzierung
zu nutzen.
Die Schuldenbremse wirkt hierbei wie eine Zukunftsbremse. Es braucht mehr Spielräume und Ausnahmen für (Zukunfts-)Investitionen sowie die Bewältigung der Transformation. Dies kann auch durch
öffentliche
Investitionsgesellschaften umgesetzt werden. Der Investitionsstau ist auch abhängig von Kapazitäten in der Bauwirtschaft, Personalengpässe im Baugewerbe und in Bauverwaltungen. Auch deshalb
braucht es
ein langfristig angelegtes Investitionsprogramm, das sowohl der Bauwirtschaft als auch den Verwaltungsebenen Planungssicherheit bietet. Bürgerbeteiligungsprozesse sollten in einem sehr frühen
Stadium der
Projektplanung abgehalten werden, um frühzeitig Akzeptanz zu erzielen.
6. Kommunen von Altschulden entlasten
Die Bundesregierung muss sich gemeinsam mit den Ländern dem Problem der Altschulden annehmen und auch dafür sorgen, dass eine nachhaltige Finanzierung der Kommunen gewährleistet ist. Dafür ist
die
komplette Übernahme der sozialen Transferkosten (insbes. KdU und Eingliederungshilfe) durch den Bund erforderlich.
7. Sozialen Arbeitsmarkt stärken und entfristen
Eine Entfristung des § 16 e und i des SGB II „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ verstetigt den sozialen Arbeitsmarkt und hilft, langzeitarbeitslose Menschen und ihre Familien aus dem SGB II-Bezug
herauszuholen und
Perspektiven für deren Kinder zu ermöglichen.
8. Strukturwandel im Rheinischen Revier
Neben den Transformationsprozessen des Klimaschutzes und der Digitalisierung tritt der Anspruch endlich gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Regionen zu erreichen. Der Staat muss für einen
gerechten,
sozial-ökologischen Transformationsprozess sorgen. Um einen nachhaltigen Strukturwandel gewährleisten zu können, müssen Maßnahmen zur Sicherung des Industriestandortes und der damit
verbundenen
Sicherung der Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse entwickelt werden. Dazu gehören unter anderen umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen, die Sicherung der Energieversorgung, der Ausbau
erneuerbarer
Energien und Speicherkapazitäten, die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft und die Beschleunigung und Vereinfachung von Planungs-und Genehmigungsverfahren.
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