
Ein Zwilling kommt selten allein
Solingen/Man nennt sie Handwerkszeichen, Markenzeichen, Firmenzeichen oder bei Taschenmessern Gangzeichen. Heute sind es Logos und viele haben einen weiten Weg mit einigen optischen Veränderungen hinter sich gebracht.
Definiert werden solche Warenzeichen, dass sie ein rechtlich geschütztes Zeichen sind. Es dient für Werbung und Kunden als Wiedererkennungswert und dient dabei auch noch zur Unterscheidung der Mitbewerber. In Solingen waren Markenzeichen extrem häufig in Gebrauch, woran sich bis heute, speziell im Schneidwarenbereich, nichts geändert hat.
Eins der weltweit bekanntesten dieser Zeichen ist der Zwilling aus Solingen. Die Ursprünge der Zeichen auf Solinger Klingen reichen weit zurück. Beliebt waren im Solinger Raum Zeichen mit Tiermotiven. Der Wolf spielte schon sehr früh eine wichtige Rolle. Diese Motivzeichen gab es auf Solinger Klingen mit Herkunft des späten Mittelalters. Wir waren hier ja auch die Heimat der Tiersagen.
Auf jeden Fall war es das Werk von Joh. Peter Henckels den Zwilling als Zeichen zu etablieren. Eine Ähnlichkeit mit dem „Wilden Mann“, die er eigentlich mit seinem eigenen Zeichen verhindern wollte, hatten seine Zwillinge zu der Zeit allerdings nicht.
Solche Bestrebungen wurden bei den Solinger Schneidwaren-Familien weiter fortgeführt. Die Familie Kirsch-Kirchhoff sicherte sich die Rechte auf die Illing Marke(ein Zwilling allein ohne seinen Partner), die später wieder in den Besitz der Familie Henckels kam, und Peter Henckels erwarb alles was seinem Zwilling auch nur entfernt ähnlich sah.
So zum Beispiel „Der Windofen“ (zwei Öfen) und der doppelte Kirschtrieb der Familie Kirsch.
So schloss Peter Henckels aus, dass diese Marken auf andere Schneidwaren geschlagen wurden.
In der Kaufurkunde vom 4. Dezember 1760 wurde der Zwilling auf Joh. Gottfried Henckels überschrieben. Johann zu Bavert kaufte das Zeichen mit einem kleinen Teichmolch 1771 und Joh. Gottfried Henckels lässt am 03.01.1780 neben den verbundenen Zwillingen nun die Wortmarken „AVA M“ und „AVE M“ eintragen. Der Verkäufer an Joh. Gottfried war Joh. Peter, der Sohn des vererbenden Peter Henckels.
Auch Joh. Gottfried erwarb zum eigentlichen Schutz des Zwilling weitere Zeichen wie den „Blumenpott“ und den „Fischreier“.
Dabei begann für die Familie Henckels, was das Warenzeichen Zwilling betrifft, alles in recht ungeordneten Verhältnissen.
Denn die im 15. Jahrhundert erteilten Privilegien für Schleifer, Schwertfeger und Schwertschmiede enthielten keine klar beschriebenen Verordnungen über die An – und Verwendung von Zeichen.
Einen solch organisatorischen Schritt gab es erst 1571 mit dem Messermacher-Privileg. Hier wurde beschrieben auf welcher Länge und Ausführung eines Messers ein Zeichen in Wort oder Bild versehen werden musste.
Wichtiger Punkt: kein Zeichen durfte einem anderen gleichen. Das hatte wieder zur Folge, dass Zeichen geändert wurden und Zeichen verkauft wurden. Einen weiteren Schritt zur Ordnung dieser Thematik gab es dann im Jahre 1890. Auf einen Antrag der Solinger Handelskammer brachte die Regierung einen Entwurf ein, zu einem neuen Markenschutzgesetz. Auf Solinger Bestreben gab es noch eine weitere Nachbesserung, bis schließlich am 1. Oktober 1894 dieses Gesetz in Kraft trat. Bei beiden Anträgen spielte das Zwillingswerk eine federführende Rolle.
Dass auf verschiedenen Produktgruppen von Zwilling unterschiedliche Zeichen geführt wurden, zeigt ein Hinweis im Preis-Buch des Zwillings Lager Berlin in der Ausgabe von 1930 für den Wiederverkäufer:“Für alle Stahlwaren, welche meine Marke, entweder den Zwilling allein, oder den Zwilling mit Namen und Wohnort, oder, neben dem Zwilling, Namen und das jetzt ebenfalls gesetzlich geschützte Wort „Zwillingswerk“ tragen, leiste ich volle und unbedingte Gewähr. Ich bitte daher auf meine hier abgebildeten Fabrikstempel genau achten zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt gab es über 15 Zeichen mit Wort und Bild, oder nur mit Wort, oder nur mit Bild, für das Solinger Zwillingswerk.
Es gab auch Drillinge, die wie Zwillinge aussahen und andere, selten oder nie benutzte, Zeichen.
Bei Bestecken gab es auch verwirrende Prägungen auf den Messern. Beispiel sei hier eine Kooperative mit der Firma Sächsische Metallwarenfabrik August Wellner Söhne aus Aue. Hier waren Zeichen und Namen von Wellner sowie von Zwilling abgebildet.
Vor 1939 waren über 6.000 Warenzeichen für die gesamte Schneidwarenindustrie beim Reichspatentamt in Berlin eingetragen.
Als am 1. Oktober 1950 eine Frist für alle alten Warenzeichen ablief, wurde auch der Zwilling in eine neue Zeitrechnung eingebunden. Henckels ließ ihren Zwilling und andere Zeichen der Firma beim Bundespatentamt in München erneut registrieren.
Heute produziert und vertreibt die Solinger Firma unter ZWILLING J.A. HENCKELS als Premium Marke, mit dem Zwilling
und J.A. HENCKELS INTERNATIONAL mit dem Hellebardenmann als Value-for-Money-Marke. Die Abgrenzung beider Marken erfolgt durch das Sortiment, den Preis und Distribution.
Wie ist nun der „ZWILLNG“ zu seiner aktuellen Optik gekommen? Wie sich im Laufe der Zeit unsere Schrift, die ja zwangsläufig in die Werbung einfließt, verändert hat (vom altdeutschen zur aktuellen Druckschrift), so hat sich auch das freie Zeichnen gerändert. Während früher per Hand frei gezeichnet, gemalt wurde, gibt es heute andere Formen, die mit anderen Mitteln gestaltet werden. Diesen Weg der ständigen Erneuerung und zeitlichen Anpassung haben viele Unternehmen praktiziert (Maggi, Nivea, Brandt Zwieback oder Underberg).
© Peter Nied
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