
Mobbing ist die häßliche Seite unserer Gesellschaft. Dieser Charakterzug ist nicht neu, hieß früher nur anders. Menschen die sich anderer Menschen bedienen um wieder andere seelisch zu zerstören. Egoisten im Krieg. Unsere Mitarbeiterin Mona Kubat schildert ihre eigenen Erlebnisse.
Wie Mobbing unter Kindern den weiteren Lebensweg der Opfer beeinflusst
Ich hatte eine sehr schöne, frühe Kindheit. Ich hatte meine Freunde, bin gerne in den Kindergarten gegangen und hatte Eltern, welche viel mit uns Kindern unternommen haben.
Man machte allerdings einen Fehler:
Dadurch, dass meine Mutter aus einem Elternhaus voller Gewalt gegen Kinder kam, wollte sie eine heile Welt für ihre Kinder und redete mir als kleines Mädchen ständig ein, dass man Streitigkeiten
meiden sollte.
Ganz nach dem Motto:
Der klügere gibt nach.
Ich war schon als kleines Kind sehr kreativ und meine Mutter hat die Kreativität gefördert. In der Hinsicht war ich ein wenig anders, als andere Kinder und dadurch, das meine Welt bunter
ist und war, wurde ich in der Schule gemieden.
Die ersten zwei Jahre hatte ich in der Grundschule keine Probleme und wenn es mal zu Auseinandersetzungen kam, so war ich sehr zurückhaltend und konnte mich nicht wirklich wehren. Ich bin, so wie
es von mir erwartet wurde, Streitigkeiten aus dem Weg gegangen.
Ab der dritten Klasse wurde die Schule langsam zur Hölle und das wirkte sich dann auch auf meine Noten aus.
Mir war morgens schlecht, wenn ich in die Schule musste, da ich wusste was mich dort erwarten würde:
Schläge, Schickanen, Hass!
Das ganze ging irgendwann auch auf meine Freizeit über: Man lauerte mir auf, um mich mit Steinen zu bewerfen, mich zu verprügelt und ich war einfach nur hilflos!
Kinder können so grausam sein!
Ich kam auf die Hauptschule und nahm tatsächlich die Klassenkameraden, welche mich terrorisierten, mit in meine neue Klasse.
Es wurde schlimmer und schlimmer und der ganze Terror erreichte einen Höhepunkt:
Zwei Klassenkameraden packten mich an Händen und Füßen. Sie schaukelte mich hin und her und riefen "Engelchen flieg". Ich flog eine 14-stufige Marmortreppe herab, schlug unterhalb der
Treppe auf dem Boden auf und hatte (nur) die Bänder in meinem Fuß gerissen - ich musste operiert werden, so wie es damals üblich war.
Und wieder einmal unternahmen die Erwachsenen nichts!
Es kamen nur Gespräche zustande, welche nicht fruchteten und frisch aus dem Krankenhaus entlassen, wurde ich in eine Baugrube getreten!
Ich wechselte die Schule und es fühlte sich am Anfang sehr gut an, bis die Klassenkameraden aus der alten Schule herausgefunden haben, wo ich abgeblieben war und meine neuen Kameraden gegen
mich aufhetzten und schon wieder hatte ich die Hölle auf Erden!
Dann kam die große Wende:
Den letzten Tag vor dem großen Sommerferien hielt man mich fest, nannte mich Puppengesicht und zerkratzte mir mein Gesicht. Man rief mich in den Ferien an und forderte mich zum Selbstmord
auf!
Ich war psychisch so fertig, in meinem jungen Leben, dass ich es fast getan hätte!
Ich habe die Welt nicht mehr verstanden, denn man ließ es einfach zu. Es fühlte sich in diesem Moment so an:
Wenn Du das überleben willst, dann musst Du sie erwischen, bevor sie dich erwischen. ich ging in die Solinger City und da stand sie: Eine der Redelsführerinnen und ich packte sie mir und war
total entsetzt darüber, wie stark ich doch war. Von diesem Moment an hatte ich meine Ruhe.
Ich mutierte vom Klassenopfer zum Rebell, was nicht immer gut war. Das ganze Leiden über die Jahre hatte mich nun zu einem aggressiven Teenager gewandelt. Diese Erkenntnis hatte ich schnell und
lernte Gefühlsausbrüche unter Kontrolle zu halten.
Diese Wandlung änderte jedoch nichts mehr an meinen Noten, denn dazu war es nun zu spät und ich habe so gerade eben meinen Hauptschulabschluss geschafft.
Englisch und Deutsch eine fünf auf dem Abschlusszeugnis.
Mir waren meine Noten egal, denn ich hatte 1986 als eine der ersten Frauen einen Ausbildungsplatz zum Straßenwärter ergattert und damals hat man noch mit einem Hauptschulabschluss sehr gut einen
Ausbildungsplatz bekommen und dennoch hätte mein Leben ganz anders laufen können, wie es sich später gezeigt hat.
Ich habe 15 Jahre als Straßenwärter gearbeitet und hatte niemals die Idee, über den Tellerrand hinauszuschauen.
2001 entschied ich mich einen neuen Weg einzuschlagen. Ich machte meinen Jagdschein in nur vier Wochen und begriff, wie viel Freude mir das lernen bereitete.
Ich lernte innerhalb von nur ein paar Monaten Englisch und war sogar in der Lage für
US-Firmen in Amerika zu arbeiten, reiste beruflich durch die ganze Welt und arbeitete sogar als PR-Manager in einer jordanischen Klinik.
Im Ausland wird man nicht an den Noten festgemacht, sondern an dem, was man kann und leistet.
Durch Corona bin ich wieder in Deutschland geblieben und hatte die Idee , im Alter von 51 Jahren zu studieren.
Ich wurde tatsächlich an meinem Abschlusszeugnis festgemacht, welches aus dem Jahre 1986 stammt und es war ein Kampf, dass mein Abschluss für die FernUni anerkannt wird.
Mit 52 Jahren machte ich dann meinen Abschluss zum Webdesigner - Schwerpunkt Social Media und Marketing.
Ich frage mich immer wieder, was wohl aus mir geworden wäre, wenn ich tolle Klassenkameraden gehabt hätte und auch frage ich mich heutzutage, was für ein Elternhaus hinter meinen Klassenkameraden
gesteckt hat.
Ich weiß einiges über meine Klassenkameraden, welche mich damals terrorisiert haben.
Einer ist im Ehrenamt tätig, der nächste ist Feuerwehrmann bei der Berufsfeuerwehr in Solingen, eine andere ist treusorgende Altenpflegerin und alles haben sie gemeinsam:
Sie haben die Grausamkeiten, die mir zugefügt wurden, vergessen.
Was hat es aus mir gemacht?
Ich kann Menschen sehr schlecht einschätzen und nehme mir Gefühlsregungen und Worte sehr zu Herzen. Menschen die mir nicht gut tun und mir nicht gut gesonnen sind, kommen sehr schlecht an mich
ran, denn ich habe eine Wand zu meinem Schutz hochgezogen.
Was empfinde ich gegenüber meinen Klassenkameraden?
Hass, denn das was mir damals angetan wurde, dass kann ich niemals verzeihen.
Trotzdem kann ich sagen, dass ich trotz der schlimmen Geschehnisse in jungen Jahren eine starke und selbstbewusste Persönlichkeit geworden bin, die ihren Weg erfolgreich beschreitet
Was wünsche ich mir?
Damals gab es keinen Namen für den Terror unter Kindern.
Heute wird es Mobbing genannt.
Ich wünsche mir, dass man den Opfern zuhört und sie ernst nimmt. Das man sie unterstützt und den Terror nicht zulässt.
Denn das hat kein Kind verdient.
Text und Bild:
Mona Kubat
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