
Hass auf 682
Viele Zeitgenossen gehen ins Kino, um Spannung, Intrigen, Ausraster oder lustige Blödheit zu erleben. Das bekomme ich auf anderen Wegen an Haltestellen oder in Bussen der Klingenstadt. Ich bin fest davon überzeugt, dass es diese Eskapaden am krassesten in Solingen gibt. Vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall muss man die richtige Linie erwischen. Die Fahrgäste sind vom Charakter völlig unterschiedlich in den Bussen. Nehmen wir einmal als Beispiel die 682 und die 696. Die Linie 682 fährt mit gemischten Publikum durch die halbe Stadt. Beim Einsteigen kann schon einmal der verbale Streit losgehen, der sich dann im Bus fortsetzt. In Extremfällen und je nach Uhrzeit können auch die Fäuste fliegen. Nach Schulschluss ist im Bus Sex oder „ich hau’ dir in die Fresse“ Hauptteil der Kommunikation. Hierbei kommt die Mutter des kleinen rothaarigen Jungen am schlechtesten weg. Mütter stehen hoch im Kurs. In den Abendstunden und am Wochenende nehmen sich potenzielle Fahrgäste mit festem Überlebenswillen besser ein Taxi. Wesentlich harmloser geht es in der 696 Richtung Graf Wilhelm Platz zu. Harmlos jedoch nur im Sinne von physischer Auseinandersetzung. Verbal haben hier Stammfahrer stets ihren ganz bösartigen Auftritt. Und zwar in einer Lautstärke, die beabsichtigt ist. Vorher werden aber alle Fenster mit lautem Knall zugeknallt. Vot allem bei großer Hitze (die Angst vor dem Schnüpfchen grassiert). Die alte Dame mit dem Kölner Dialekt beginnt immer mit der Einleitung „ich hab da in der Zeitung gelesen“. Damit meint sie die BILD, denn die guckt immer aus der Einkaufstasche. Die andere Dame ist etwas verklemmt und beginnt stets mit „seien sie doch nicht so laut“. Lieblingsthemen sind Flüchtlinge, Ausländer überhaupt oder Hartz 4 Schmarotzer. „Die faulen Schweine“ werden nach Nationalitäten fein sortiert und mehr oder weniger durch den Krakau gezogen. Auffallend die Mimik vieler anderer Mitfahrer älteren Semester. Sie nicken mit dem Kopf. Bei „Arbeitslager“ nicken sie heften mit Zustimmung und bei „Rübe ab“ gucken sie erstmal, ob sie beobachtet werden. Wer wissen möchte, ob wir „so einen kleinen Adolf“ nochmal brauchen, der fährt vier Haltestellen mit diesem Bus. Das ist besser als jedes Kino.
In diesem Sinne schönes Wochenende
Es grüßt Pitter
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